Der Verband
Der Begriff „Kuhle Wampe“ kommt ursprünglich aus dem Berliner Raum und heißt soviel wie „leerer Bauch“. Es war aber auch der Name einer Laubenkolonie Anfang der dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Über das Leben der Arbeiter und Erwerbslosen damals drehte Bertolt Brecht einen Film, er heißt „Kuhle Wampe oder wem gehört die Welt“ und beschreibt die Gemeinschaft der Laubenbewohner als ein solidarisches Miteinander, in dem auch die schwierige damalige Lage, geprägt durch Massenarbeitslosigkeit und drohenden Faschismus, durch Zusammenhalt und gegenseitige Hilfe gemeistert werden konnte. In diesem Film wurde das erste Mal in der Filmgeschichte im Rahmen eines großen sportlichen Wettbewerbes ein Motorradrennen gezeigt. Vor über dreissig Jahren, Ende der siebziger Jahre, fanden sich in Esslingen, aber auch an diversen anderen Orten im gesamten damaligen Bundesgebiet, junge, politisch engagierte Motorradfahrer zusammen. Sie organisierten sich in einzelnen Clubs und nannten sich nach dem Film „Motorradclub Kuhle Wampe“. Mittlerweile besteht der Verband der Motorradclubs Kuhle Wampe aus über fünfzig Clubs mit mehr als 350 Mitgliedern. Die Kuhle Wampe hat sich schon immer als ein etwas anderer Motorradclub verstanden, ihre Mitglieder setzen sich neben dem Motorradfahren auch für politische Belange ein. In der Grundsatzerklärung des Verbands definiert die Kuhle Wampe ihre Ziele wie folgt:
Seit 1885, als das erste Motorrad gebaut wurde, übt dieses Fortbewegungsmittel eine starke Faszination auf viele Menschen aus. Schnelligkeit und Beschleunigungsvermögen, die Möglichkeit, auch die entferntesten Orte auf dem Motorrad zu erreichen sowie die Tatsache, dass das Motorrad im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln billig war, verhalf dem Fahrzeug zu einem beständigen Freundeskreis. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde es zu einem Fortbewegungsmittel, das sich auch Leute leisten konnten, denen ein Auto zu teuer war. Ende der sechziger Jahre schien das Auto dann das Motorrad verdrängt zu haben, doch das Motorradfahren verlor nie völlig seinen Reiz. Denn besonders Jugendliche entdeckten in dieser Zeit das Motorrad als Mittel für Verkehr, Sport und Freizeit wieder. Allerdings wurden MotorradfahrerInnen schnell zu einer gesellschaftlichen Randgruppe erklärt, die mit gewalttätigen Schlägern und hirnlosen Rasern in einen Topf geworfen wurden. Wir sind anders! Solidarität ist unser Motto. Der gesellschaftlichen Wirklichkeit kann niemand entfliehen. Wer meint, sich heraus halten zu können, stärkt nur diejenigen, die eine unmündige Masse brauchen, um ihre Geschäfte betreiben zu können. Die Motorradclubs Kuhle Wampe treten entschlossen gegen solche Entwicklungen ein und setzen eigene Aktivitäten dagegen. Eine zentrale Aussage des Films "Kuhle Wampe" ist die Aufforderung zum gemeinsamen Handeln. Die Motorradclubs Kuhle Wampe suchen darum den Kontakt zu Menschen und anderen Organisationen. Denn nur durch eine breite Zusammenarbeit der fortschrittlichen Kräfte kann den rechten und unsozialen Tendenzen in unserer Gesellschaft Einhalt geboten und an einer menschlicheren Gesellschaftsform gearbeitet werden. Kuhle Wampe ist für Menschen, die über den Tacho hinaussehen. Für den Verband der Motorradclubs Kuhle Wampe ist klar, dass MotorradfahrerInnen nicht nur als VerkehrsteilnehmerInnen benachteiligt, sondern auch als Menschen täglich durch eine zunehmend menschenfeindliche und naturverdrängende Politik beeinträchtigt werden. Daraus leitet sich unser politischer Anspruch ab. Unsere Rechte, ob auf der Straße oder im täglichen Leben, können nur durch gemeinsames und solidarisches Handeln durchgesetzt werden. Die Kuhle Wampe versteht sich als unabhängiger Verband von Motorradclubs. In ihr kann jedeR unbesehen von Geschlecht, Religion, Nationalität und politischer Anschauung mitarbeiten, sofern sie nicht gegen unsere Grundsätze verstoßen. Um unsere Interessen in der Öffentlichkeit wirkungsvoller vertreten zu können, haben sich die Kuhle Wampe-Clubs zu dem bundesweiten Verband der Motorradclubs Kuhle Wampe basisorientiert zusammengeschlossen. Besonderen Wert legt die Kuhle Wampe auf antifaschistische Arbeit und gerechte und gleiche Behandlung aller Menschen, egal welche Nationalität, Hautfarbe, Religion oder sonstige Unterscheidungsmerkmale sie aufweisen. Ebenso wichtig ist uns Pazifismus, wir sind der Meinung, dass es keinen Grund gibt oder geben kann, Krieg gegen ein Volk, ein Land oder einzelne Gruppen eines Landes zu führen. In der Kuhlen Wampe finden aber auch umweltbewusste oder sportliche Motorradfahrer eine Heimat.
Die Esslinger Wampen
Der Esslinger Motorradclub Kuhle Wampe wurde vor über dreißig Jahre im damaligen Jugendhaus Stadtmitte im Heppächer gegründet. Damals wie heute war der Club am Leben im Jugendhaus aktiv beteiligt. Auf der Suche nach geeigneten Werkstatträumen wurden der Kuhlen Wampe seitens der Stadt Esslingen Teile des ehemaligen Lorch-Areals, der Dachsbau, zur Nutzung angeboten. Im Folgenden konkretisierten sich die Pläne der Stadt für ein Jugend- und Veranstaltungszentrum, das jetzige Jugendhaus Komma, auf diesem Areal. In diese Planungen war die Kuhle Wampe von Anfang an mit einbezogen. So entwickelte sich die offene Zweiradwerkstatt des Jugendhauses, die von der Kuhlen Wampe betreut wurde. Mit dieser Lösung war beiden Seiten gedient. In der Gründungszeit des Jugendhauses mussten erhebliche Um- und Ausbaumaßnahmen bewältigt werden, große Teile davon konnten von den Mitgliedern der Kuhlen Wampe in ehrenamtlicher Arbeit realisiert werden. Die Räumlichkeiten im Komma und die damit verbunden Möglichkeiten stellen bis heute einen wichtigen Beitrag zum außerordentlichen Erfolg der Esslinger Kuhlen Wampe. Die Kuhle Wampe Esslingen hat mittlerweile 32 Mitglieder, mehr als jeder andere Wampen-Club in Deutschland und mehr als jemals zuvor. Die Kuhle Wampe Esslingen kann seit Jahren auf eine erfolgreiche Reihe von Aktionen zurückblicken. Dazu gehören antifaschistische Stadtrundgänge in Esslingen ebenso wie Aktionen zur Verkehrssicherheit wie Fahrertrainings, Erste-Hilfe-Kurse oder Aktionen zur Anbringung von Protektoren an Leitplanken. Besonders stolz sind wir auf unsere mittlerweile traditionellen Motorrad-Bildungsfahrten anlässlich des 8. Mai (Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus) in jedem Jahr. Dabei bemühen wir uns, neben bekannten Gedenkstätten auch kleine und unbekanntere Stellen anzufahren und nach Möglichkeit auf Erfahrungsberichte von Zeitzeugen zurückzugreifen, um ein möglichst authentisches Bild des NS-Regimes wach zu erhalten. Diese Bildungsfahrten führten uns bereits in diverse Regionen Baden-Württembergs, sowie in benachbarte Bundesländer beziehungsweise das benachbarte Ausland.
Gerne arbeiten wir zur Realisation unserer Ideen mit unseren Bündnispartnern zusammen, daraus hat sich in letzter Zeit ein nicht unerheblicher Teil Bündnisarbeit in unsere Tätigkeiten eingegliedert. Unsere wichtigsten Partner dabei sind immer noch die Gewerkschaften vor Ort, so war die Kuhle Wampe bei der Gründung des Esslinger Courage-Bündnisses genauso dabei wie bei der Gründung einer Esslinger Attac-Gruppe. Weitere Kooperationspartner für uns sind das Kommunale Kino Esslingen, die DGB-Jugend Baden-Württemberg und das Friedensbündnis in Esslingen aber auch die Ortsgruppe der DKP. Natürlich spielen auch die auf dem Lorch-Areal ansässigen Gruppen wie das Jugendhausteam mit dem ProTreff oder das Kommunale Kino eine wichtige Rolle für uns.
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